Windsyndikat
und der Treibhauseffekt
Der Reinhardswald ist aktuell das letzte Gebirge des Kasseler Beckenrands, dem nun der Verlust seines Wesens durch den Bau von Windenergie-Anlagen (WEA) droht. Der kluge Sinnspruch »Mehr Wald. Mehr Mensch«, den Hessenforst vis-à-vis im schon existierenden Windpark Söhre an den Infotafeln ausgibt, gilt dann auch hier in der Umkehrung, weniger Wald – weniger Mensch, nur mit dem Unterschied, dass es im Reinhardswald um erheblich größere Dimension geht.
Dass dabei „mehr” oder „weniger” nicht Quadratmeterzahlen bedeuten, ist überflüssig zu sagen. Derart materialistisch lineares Denken mag zur Geisteswelt der Planer gehören, wenn sie immer wieder mit der Raumbegrenzung der Stellflächen argumentieren. Doch „Die Norm, die fixe Zahl enteignet mich, entzieht mir meine Geschichte”. So brachte es schon lange einmal ein Kasseler Universitätslehrer auf den Punkt ([Hülb.]), bezogen auf unsere landschaftliche Beziehung, die eine qualitativ und persönlich gewachsene ist. Hier nun geht es neben Landschaft im Allgemeinen spezifisch um Wald, ja gerade um einen „Wald der Deutschen”. Und in weiterer Steigerung geht es sogar um den Märchenwald der Brüder Grimm.
In der BRD haben wir außer den verbliebenen Waldgebieten kaum noch Anderweitiges, das uns halbwegs Natürlichkeit und damit Geborgenheit des Lebens vermitteln könnte und so etwa wie einen Rest von Freiheit. Andere Bundesländer beherzigen das und haben verantwortungsvoll WEA in Wäldern generell verboten. In Hessen bleibt es bislang an uns, entsprechenden Nachdruck zu formen. Das kann natürlich nicht diese Website leisten, sie kann allenfalls bescheiden werben. In diesem Sinne ist für den Reinhardswald aber besonders den örtlichen Initiativen Respekt zu zollen, die schon immensen Einsatz geleistet haben. Dasselbe gilt auch für Einzelnamen, darunter zum Beispiel etliche Führer des neuen Naturparks, die ihre Zusammenarbeit wegen dessen mangelhafter Haltung aufgekündigt haben. Herausragend bleibt der pausenlose Einsatz des ehemaligen Försters Rapp alias „Stimme des Reinhardswaldes”.
Die folgenden Bilder sind schmerzlich und zeigen die Anfänge, hier wenigstens exemplarisch für einige herausgegriffene WEA-Plan-Standorte und Rodungen. Ausführlichere Überblicke und mehr bieten vor allem die Seiten der Initiativen.
WEA-20 | WEA-20 |
Alter Lagerplatz; WEA-16 gegenüber | WEA-15 |
WEA-14 | WEA-14 |
Wiese über gepl. WEA-13 | Zufahrt-Kurve für WEA-13 |
Schneise zum Hahneberg (WEA-10) | WEA-09 |
Farrenplatz (nahe WEA-02) | Farrenplatz (nahe WEA-02) |
Nicht alle diese Bilder illustrieren schon Erdarbeiten. Die restlichen wollen Waldbilder betreffender Orte zeigen. Denn es geht um Landschaft auch als Grundrecht für uns. Experten fordern „Erreichbarkeit schöner Landschaft” aus Wohnortnähe ([Wöbse]). Anders als im europäischen Durchschnitt ist für die BRD dieser Aspekt brisant, da das ganze Land, so mindestens der Eindruck ausländischer Berichterstatter, fast schon zu einer einzigen Vorstadt zusammengewachsen ist und echter ländlicher Raum kaum noch existiert.
So haben wir bei Einführung der Windkraftnutzung um die 1990er Jahre noch das äußere Erscheinungsbild der WEA erörtert und haben landschaftlich weniger unverträgliche Layouts vorgeschlagen, was nun rückblickend als naiv bezeichnet werden muss. Anfangs aber wurden die Ideen teils aufgegriffen, und es wurden beispielsweise tatsächlich grau-grün getarnte Fußfärbungen eingeführt. Bald jedoch wurden dann höhnisch knallrote Ringe über die Füße gesetzt, demonstrativ gerade auch über tarnfarbige Füße. Womöglich wäre im Reinhardswald mit ähnlichem zu rechnen. Wären in Wäldern WEA nicht ohnehin intolerabel, so wären hier nun Gittermasten zu fordern, solche aber eigentlich auch generell überall.
2016 setzte man im Windpark Stiftswald (Kaufungen) die alte Idee der Eingriffs-Abschwächung durch tarnfarbige Mastenfüße um. Jedenfalls sah es zunächst so aus. | |
Bei Dransfeld kam 2016 zu vier bestehenden WEA eine fast doppelt so große Anlage hinzu. Sie hat einen tarnfarbigen Fuß, aber trägt darüber in höhnischer Konterkarikatur einen roten Ring. | |
Die am wenigsten landschaftsschädliche WEA-Bauform ist der Gittermast, hier eine von zwei Gittermast-Anlagen am Anschluss Malsfeld der Autobahn A7. Der Landschaftseingriff ist immens geringer als bei Glattmasten. |
Sind überhaupt Gittermasten als Eingriffsminimierung im Reinhardswald in den ausgelegten Planunterlagen ernsthaft erörtert worden? Die am inneren Rand des Kasseler Beckens bislang errichteten WEA verwenden sämtlich weiße Glattmasten und scheinen fast alle einen roten Ring zu tragen. Viele haben zusätzlich das weitere optische Manko, eine unzulängliche Statik zu suggerieren und so das Auge noch einmal zusätzlich zu überfordern. Ihr Fuß ist nur unbedeutend erweitert, und ihre Befestigung auf dem Sockel durch 100 frei zugängliche Sechskant-Muttern wirkt wie ein Witz.
Die fünf filigranen WEA des Windparks Söhre, gesehen vom Bahnhof Oberzwehren aus. Ein herkömmlicher Fichten-Stangenforst wirkt im Vergleich wie ein solides Bollwerk. | |
WEA SÖ-1 des Windparks Söhre: Röhrenform und geringer Fuß-Querschnitt fordern Betrachtern hohes mentales Zugeständnis ab. | |
Frei zugängliche Sechskant-Muttern halten die WEA des Windparks Söhre auf dem Sockel. |
Im Windpark Söhre lassen sich auch Erfahrungen über die Geräuschkulisse sammeln. Sie ähnelt dem Fauchen der Großflieger, nur eben ohne Unterlass, solange Wind weht. Das Geräusch ist auch mittelbar außerhalb des Windparks vorhanden. Sind es im Windpark Söhre fünf Windräder, so ist allerdings im Reinhardswald zunächst schon gleich das Vierfache geplant.
Westlich vor dem Reinhardswald existieren bereits seit Längerem mehrere WEA-Kolonien, und manche Anlagen wurden inzwischen wieder rückgebaut.
Vierergruppe von WEA vor dem Reinhardswald bei Udenhausen, hier zudem frech in Reihe und Glied aufgestellt | |
Ein Schneesturm bricht über eine Gruppe WEA (rechts; inzwischen rückgebaut) herein. Das Foto aus 2005 blickt ca. von Hohenkirchen über den Kannengießer gegen den Reinhardswald. | |
Am 15 Feb. 2020 brannte eines der zwei Windräder bei Körle ab, und Teile bleiben bislang liegen (Foto v. Sep. 2022). Ein Neubau wird angeblich nicht genehmigt werden, da es sich, anders als beim sensiblen Renhardswald (!), nicht um Vorranggebiet handelt. |
Die aktuell konkret sichtbaren Vorstöße im Reinhardswald, von denen oben einige abgebildet sind, betreffen zunächst Flächen im Norden, solche um den Farrenplatz, den Langen- und Hahneberg sowie die Papenköpfe (sog. Vorranggebiete KS-03 und KS-04a,b). An anderen Flächen scheinen Aktivitäten bislang noch stiller abzulaufen – unten eine mobile Mess-Station für Wind, aufgenommen in 2018 nahe dem Finkenteich (Gebiet KS-26):
Mess-Station nahe dem Finkenteich für Untersuchung von Wind in großen Höhen | |
Die Infotafel weist auf unsichtbare Laserstrahlung hin. |
Die Erfahrungen aus dem Windpark Söhre und dem Kaufunger Stiftswald zeigen weitere Befürchtungen alt hergebrachter Science Fiction auf, zum Beispiel dass zu unserer Überwachung auch im Reinhardswald ein „Großer Bruder” installiert werden könnte:
Die zentrale Umrichter-Station des Windparks Söhre ist mit einer Überwachungskamera ausgestattet, die den öffentlichen Raum inspiziert. | |
Zur Bauzeit war der Stiftswald von „Units for Observation” (UFO) beherrscht, die mit im Gelände verteilten Bewegungsmeldern und wohl auch Kameras operieren. | |
Tiere und Menschen vor den Bewegungsmeldern lösten ohrenbetäubende Sirenen aus, die kilometerweit durch den Stiftswald heulten. |
Der Einfluss von Windrädern auf die Tierwelt und auf andere Faktoren der Biosphäre ist im Reinhardswald natürlich besonders gravierend, kann auf dieser Seite aber nicht in der erforderlichen Breite erörtert werden. Er soll mittelfristig umfassend auf der Seite insektendaemmerung.org erörtert und verlinkt werden. Hier sei nur ganz kurz an den viel zitierten Autobahnvergleich erinnert: Vor 50 Jahren stand an den Autobahn-Tankstellen immer gleich der Tankwart bereit, um die Windschutzscheibe vom Insektenbrei frei zu wischen. Heute dagegen ist Brei erschlagener Insekten auf der Frontscheibe quasi nicht mehr bekannt. Für einen verbliebenen Rest an Insekten und natürlich Vögel und Fledermäuse stehen nun mehr und mehr Windräder als Luftquirle und Schredder bereit.
Die Geschwindigkeit der Rotorblätter erreicht außen die Geschwindigkeit schneller Pkw auf Autobahnen bis hin zu einem Mehrfachen davon, ja sie kann halbe Schallgeschwindigkeit oder mehr erreichen. Ein Simulator für Geschwindigkeiten der WEA kann hier heruntergeladen werden.
Die im unteren Video im Hintergrund sichtbare WEA braucht hier für eine Drehung nur ca. zwei Sekunden. Ihr Rotordurchmesser ist noch nicht in Erfahrung gebracht, aber bei angenommenen 50 Metern Halbmesser hieße diese Drehzahl für die Rotorspitzen etwa halbe Schallgeschwindigkeit. Die Planung im Reinhardswald sieht Radien von 75 Metern vor, die betreffende Maximal-Drehzahl dieser Modelle konnte noch nicht in Erfahrung gebracht werden.
Blick von einer Bahnbrücke nördlich von Kassel an einem windigen Tag auf zwei WEA im Kaufunger Wald. Die hintere WEA dreht 360° in ca. 2 Sekunden, das heißt mit einer Winkelgeschwindigkeit von 2πrad/2s. Bei einem Radius von zum Beispiel r=50m ergibt das für die Rotorspitzen (2πr/2s) dann 157 m/s, fast halbe Schallgeschwindigkeit. |
Die Bahngeschwindigkeit der Rotoren wird sich in der Allgemeinheit nur wenig bewusst gemacht oder wird oft unterschätzt. Dabei gehört die Problematik extremer Geschwindigkeiten zu den Grundsatzfragen der anthropogen veränderten Biosphäre, vergleichbar mit den Fragen künstlichen Lichts, flächenhafter Signalfarben und natürlich der eingeführten radioaktiven Kontamination. Breiteres Allgemeinbewusstsein hat bislang nur letztere erreicht.
Für die ökologischen Auswirkungen der Windkraft sei hier bis auf weiteres noch auf Informationen aus dem weiteren Internet und anderen Medien verwiesen. In diesem Zusammenhang muss allerdings davor gewarnt werden, solche Quellen unkritisch aufzunehmen, da viele von ihnen oft keine objektive Information zum Ziel haben, sondern von bestimmten Interessen geleitet sind. Exemplarisch ist auf dieser Website ein solches Negativ-Beispiel aus dem Reinhardswald in einer Kurzbesprechung angeführt.
Die Windenergie-Nutzung, wobei die Windindustrie mittlerweile auch das infame Wort „Windernte” verwendet, als sei sie ein harnloser Bauernhof, ist die größte jemals zielgerichtete Zerstörung der Landschaft und, zumal nun beim Übergriff auf die Wälder, ein Tabubruch historischen Ausmaßes. Da diese Zumutung nicht verborgen bleibt, ersinnt das Windsyndikat Wege, die Volksseele zu beschwichtigen, zum Beispiel durch Modelle wie „Bürgerenergie”, die bestimmte Bürger am „Gewinn” beteiligen. Das Wort ist ein typischer Schönrede-Begriff, jedenfalls steckt dahinter fraglos die Methode, den Windparken weitere Fürsprecher zu verschaffen. Das erinnert an dasselbe Prinzip, welches seinerzeit der längst als höchst schädlich erkannten Großfliegerei zu Hilfe kommen sollte: den für die Fliegerei nicht privilegierten Otto Normalbürger mittels Billigangebot zu fangen. Heute zeigen Nachrichten pausenlos, wohin das Immer-Mehr und Immer-Weiter geführt hat, obwohl schon seit den frühen 1970er Jahren die „Grenzen des Wachstums” erkannt waren. Es kann somit nicht darum gehen, dieses Immer-Mehr mit Energie zu versorgen, sondern es muss darum gehen, ihm diese zu versagen.
Überhaupt ist sich einmal der Landschafts-Eingriff eines Windrads gegenüber seinem tatsächlichen Gewinn vor Augen zu halten: So beträgt zum Beispiel die mittlere Jahresleistung einer durchschnittlichen WEA 386 kW (Zahlen nach einem Beispiel von Dubbers aus 2016 [Dubb.16]), während die hierzulande zugelassenen Pkw im Mittel je eine Motorleistung von 103 kW haben. Da ein typischer Automotor 30% Wirkungsgrad hat, bedeutet das real etwa 340 kW Energieverbrauch bei Volllast, also beinahe die Leistung einer durchschnittlichen WEA. Eine WEA kann somit gerade einmal einen unter dauernder Volllast fahrenden Pkw antreiben.
Auch deshalb bleibt kein Zweifel: „Die Energiefrage spaltet die Gesellschaft” (Rapp 2017) [Rapp17], und darin ist der Reinhardswald keine Ausnahme, und die Windkraft ist das vorderste Dilemma. In diesem Land bedroht sie uns existenziell, da sie uns nun auch noch die letzten vorhandenen Freiräume nehmen will. Sollen wir denn nur noch vegetieren dürfen statt leben?
Einer der profiliertesten Kämpfer gegen die Windindustrie, der kürzlich verstorbene Enoch zu Guttenberg [Gutt.16] spricht von „Kapitalverbrechen in dem perversen, gleichwohl äußerst präzise geführten Vernichtungskampf ... gegen die uns eigene, zur Bewahrung anheimgegebene, uns schützende, uns nährende und Identität stiftende Heimat und Natur. Heute sind Windräder die Totems unserer Zeit für das »Weiter-So!« einer immer noch an unstillbarer Gier und skrupellosem Machbarkeitswahn orientierten Politik.”
Nie hätte er, der einstige Mitbegründer des BUND, sich träumen lassen, „einmal härter gegen den eigenen Naturschutzverband kämpfen zu müssen als je gegen alle Umweltfrevel der letzten 50 Jahre in unserem Land!” Und noch weniger war ihm vorstellbar, „dass einmal unzählige zivilcouragierte Bürgerinitiativen ihre Heimat, ihre Wälder, ihre Tiere und ihren eigenen Lebensraum vor professionellen Natur- und Umweltschützern und vor grüner Politik schützen müssen. ... Wie sehr hat sich in Wahrheit schon der Kultur-Werte-Kanon verschoben. Zwar kommt in Deutschland – Gott sei Dank – immer noch derjenige sofort ins Irrenhaus oder mit ein wenig Glück nur ins Zuchthaus, der eine Caspar-David-Friedrich-Landschaft mit Salzsäure übergießt; aber ist es nicht ein noch viel anmaßenderer Frevel, liebevollste Kunstwerke dieser Schöpfung, unsere verbliebene Heimat, mit Windrädern gänzlich zu ruinieren?” Guttenberg hat die kleine Genugtuung vergessen zu erwähnen, dass Protagonisten der Windradlandschaft nie mehr moralisch das Recht haben, das Ausland zu besuchen, um dort schöne unverbaute Landschaften zu genießen.
Kein Großkraftwerk
im Reinhardswald!
Zu Klimaerwärmung und Treibhauseffekt